Jetzt sind Sie als Orthopädietechniker recht nah am Menschen dran, der ein Körperteil verloren hat. Stellen Sie Veränderungen während des Prozesses fest – also vom ersten Betreten des Ladens und dem Anpassen bis hin zum Verlassen mit der fertigen Prothese am Bein?
Purk: Das ist ganz verschieden: Das ist ein Prozess und natürlich bekommt man da auch mal Interna mit. Im besten Fall hat man nach Jahren aufgeklärte Kunden, die so im Leben integriert sind mit ihrer Prothese, dass sie nicht mehr darauf festgenagelt werden, nicht mehr beim Bäcker blöd angeglotzt werden, weil sie eine Prothese tragen. Das heißt im Umkehrschluss für mich als Techniker aber auch, dass – wenn doch mal etwas kaputtgeht – sie es nicht mehr gewohnt sind, an Krücken zu laufen und dann habe ich Stress, die Prothese schnell wieder in Gang zu bekommen. Aber natürlich gibt es auch junge Leute, die sich alles bereits zurechtgegoogelt haben und deren nächstes Ziel die Paralympics sind. Aber es kann Jahre dauern, bis man seine neuen Grenzen, die man hat, abgesteckt hat. Bis die Prothese nicht mehr reibt, bis man damit perfekt umgehen kann und niemand einen mehr nur auf dieses fehlende Körperteil festnagelt.
Hat generell ein Umdenken stattgefunden – vom Verstecken der Prothese hin zu mehr Offenheit im Umgang mit der Amputation?
Purk: Es gibt Kunden, die sich öffnen, und es gibt Kunden, die das nicht möchten. Das musste ich auch erst lernen. Aber dann mache ich halt edlere Motive, hochwertigere Sachen.
Man darf aber auch nicht vergessen, dass diese voll individualisierten Prothesen nicht mein Tagesgeschäft ausmachen. Von hundert Kunden sagt vielleicht einer, dass er die 1.000 bis 2.000 Euro zusätzlich in die Hand nimmt. So etwas verlangt auch viel Zeit. Hauptsächlich designen wir also Prothesenstrümpfe oder Gurtbänder. Das ist überhaupt kein zusätzlicher Aufwand: Gurtband ist Gurtband, ob nun weiß oder mit Flammenmotiv – das macht keinen Unterschied. Da kostet ein Hilfsmittel komplett 100 Euro. Das Geld nehmen die Kunden eher in die Hand als mir 1.000 Euro auf den Tisch zu legen.
Die Leute, die zu mir kommen, werden jünger, keine Frage, aber die meisten sind immer noch 60. Aber der 60-Jährige von heute ist nicht mehr so wie der 60-Jährige von vor 20 Jahren. Ich kenne noch Kriegsversehrte, für die war es das Heiligste, wenn die Prothese nicht auffiel, die viel Wert auf Kosmetik gelegt haben. Meine Kunden jetzt sind zwischen 30 und 60 Jahre alt, aufgrund der Technik, die mittlerweile in Prothesen steckt, ist Kosmetik beispielsweise keine Option mehr.