Rehabilitation: Mischung aus klassischer und robotikgestützter Therapie führt zum Erfolg
Rehabilitation: Mischung aus klassischer und robotikgestützter Therapie führt zum Erfolg
02.05.2018
In der Rehabilitation kommen immer öfter roboter- oder technikgestützte Assistenzsysteme zum Einsatz, um die oftmals repetitiven Übungen auszuführen beziehungsweise den Patienten dabei zu unterstützen sowie zu motivieren, die langwierigen Therapien durchzuhalten. Das erhöht die Fortschritte in der Rehabilitation und befähigt den Patienten dazu, seinen Alltag nach der Reha wieder selbstbestimmt zu führen – ganz im Sinne des Credos: Rehabilitation vor Pflege.
Dr. Gabriele Bender ist Ärztliche Direktorin und Leitende Ärztin der Neurologie im RehaCentrum Hamburg und sieht die Fortschritte, die Patienten während ihrer Rehabilitation mittels klassischer und robotikgestützter Therapie machen.
REHACARE.de hat im RehaCentrum Hamburg nachgefragt, was die Vorteile der robotergestützten Therapie im Rehabilitationssektor sind und wie gut das Zusammenspiel von Mensch-Maschine im Reha-Alltag funktioniert.
Frau Dr. Bender, Sie sind Ärztliche Direktorin und Leitende Ärztin der Neurologie im RehaCentrum Hamburg: Inwiefern hat sich die Rehabilitation in den vergangenen Jahren verändert?
Dr. Gabriele Bender: Die neurologische Rehabilitation hat in den letzten Jahren rasant an Bedeutung gewonnen. Der Grund sind vor allem therapeutische Fortschritte in der Neurologie und der neurologischen Rehabilitation sowie die wachsende Anzahl von Patienten. In der neurologischen Rehabilitation wurde erkannt, dass die Neuroplastizität eine große Bedeutung für die Umsetzung von therapeutischen Konzepten hat. Entsprechend wurden neue Therapieverfahren, vor allem technische Verfahren oder roboterunterstützte Verfahren, weiterentwickelt und zunehmend in Rehabilitationskliniken eingeführt. Neben den klassischen Methoden nach Bobath, PNF, Vojta und anderen bekannten Methoden werden in den Rehabilitationskliniken jetzt zunehmend gerätegestützte Therapien sowie Therapiezirkel mit wiederholenden Anwendungen (repetitive Verfahren) durchgeführt.
Hat sich eventuell auch die Erwartungshaltung der Patienten an ihre jeweiligen Reha-Maßnahmen verändert?
Dr. Bender: Die neurologischen Patienten sind informierter und kritischer geworden. Aber auch die Angehörigen bringen sich häufig von Beginn an mit in die Rehabilitation ein. Durch die neuen Medien, wie beispielsweise Internetauftritte von verschiedenen Kliniken und zunehmender Verbreitung von Informationen im Internet, können sowohl Patienten als auch Angehörige sich Informationen schon im Vorfeld einer Rehabilitations-Maßnahme verschaffen. Dennoch sind die Erwartungshaltungen von Rehabilitanden häufig zu hoch und unrealistisch. Viele Rehabilitanden glauben, dass sie nach einer Rehabilitations-Maßnahme wieder vollständig gesund werden oder eine wesentliche Verbesserung eintritt. Dies ist jedoch aufgrund der Schwere einer neurologischen Erkrankung häufig nicht möglich. Viele neurologische Erkrankungen müssen auch nach einer Rehabilitations-Maßnahme ambulant über mehrere Monate oder Jahre weiterbehandelt werden.
Bei der Therapie am Armeo Spring müssen die Patienten in der Lage sein, ihren Arm bereits ein wenig selbstständig bewegen zu können, da die Armorthese sie bei den Bewegungen lediglich unterstützt.
Welche Vorteile hat die robotergestützte Therapie im Rehabilitationssektor?
Dr. Bender: Die robotergestützte Therapie ergänzt die bisherigen klassischen Therapieverfahren und verbessert häufig die Motivation des Patienten in einem längeren Rehabilitationsverlauf. Die robotergestützten Therapieverfahren ersetzen auf keinen Fall klassische Therapieverfahren in der Physiotherapie und Ergotherapie (wie Bobath, PNF, Vojta etc.). Großer Nachteil dieser robotergestützen Verfahren ist leider, dass diese Geräte sehr teuer sind und sich deshalb viele Rehabilitationskliniken diese nicht leisten können. Für Ergotherapie- oder Physiotherapie-Praxen sind diese Geräte in der Regel gar nicht erschwinglich.
Das RehaCentrum Hamburg arbeitet mit dem Armeo-System von der Firma Hocoma. Was ist Armeo und wie funktioniert es?
Dr. Bender: Das Armeo-Therapiekonzept richtet sich an Patienten, die an den Folgen eines Schlaganfalls, eines Schädel-Hirn-Traumas oder anderer neurologischer Erkrankungen Verletzungen erleiden, welche unter anderem zu einer Beeinträchtigung der Hand- und Armfunktionen führen. Studien zeigen, dass intensive, sich wiederholende und aufgabenorientierte Therapieübungen an den betroffenen Armen in Kombination mit einem technischen Hilfsmittel/Therapiegerät sehr positiv auf die Verbesserung von Fähigkeits- und Funktionsstörungen des betroffenen Armes auswirken. Es gibt drei Armeo-Behandlungsgeräte. Bei dem ArmeoPower handelt es sich um ein robotisches Arm-Exoskelett, welches eine komplette Entlastung des betroffenen Armes ermöglicht und aktiv den betroffenen Arm elektromechanisch unterstützt, auch wenn dieser keinerlei Aktivität zeigt. Das ArmeoSpring-System ist eine ergonomisch angepasste Armorthese („Metallarm“) mit einem Federmechanismus. Der Patient muss den Arm schon aktiv leicht bewegen können, da er selbst den „Metallarm“ führen muss. Das ArmeoBoom-Behandlungskonzept besteht aus einem Schlingensystem zur Armgewichtsentlastung. Der Patient kann mit dem betroffenen Arm in einer Schlinge freibeweglich Übungen ausführen. Alle drei Armeo-Geräte sind mit einem Computer verbunden und es erfolgt eine Darstellung (Visualisierung) der Bewegungen auf dem Bildschirm. Interessante Computerspiele werden vom Gerätehersteller im Software-Programm angeboten und fördern sehr die Motivation des Patienten. Des Weiteren erfolgt durch die Computersoftware eine Rückmeldung (Feedback) über den Erfolg der durchgeführten Übungen an den Patienten und den Therapeuten.
Mit dem ArmeoPower - einem Arm-Exoskelett - ist es möglich, auch einen Arm, der keinerlei Aktivität zeigt, zu tainieren.
Welche Effekte erzielt die Therapie mit Armeo im Vergleich zu herkömmlichen Rehabilitationstherapien beim Patienten?
Dr. Bender: Nach meiner Erfahrung kann das Armeo-Therapieverfahren, wenn es zusätzlich zu den klassischen Therapiemethoden in einer Reha-Klinik eingesetzt wird, eine schnellere Rückbildung begünstigen. Bezüglich der Effektivität der Verbesserung der Bewegungseinschränkungen eines gelähmten Armes ist aus meiner Sicht das Armeo-Behandlungsverfahren im Vergleich mit den klassischen physiotherapeutischen beziehungsweise ergotherapeutischen Therapiekonzepten als gleichwertig anzusehen. Die Trainingsintensität kann jedoch beim Armeo-Verfahren (je nach Durchführung) etwas intensiver sein als bei klassischen Verfahren.
Was macht für Sie eine moderne Rehabilitation aus?
Dr. Bender: Eine moderne Rehabilitation ist nach meiner Einschätzung eine interdisziplinäre Behandlung durch verschiedene hochqualifizierte Fachgruppen (Ärzte, Pflege, Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie, Neuropsychologie, Sozialdienst) sowie ergänzende physikalische Maßnahmen. Die Therapiekonzepte müssen sehr individuell auf einen Patienten ausgerichtet und im Verlauf von Wochen und Monaten immer wieder neu angepasst werden. Eine Kombination von klassischen Therapiemethoden und modernen technischen beziehungsweise elektromechanischen Verfahren ist aus meiner Sicht die erfolgversprechendste Methode zum Erreichen eines erfolgreichen Rehabilitationsergebnisses.