Herr Professor Zahout-Heil, was genau hat es mit dem Smart Accessibility Laboratory auf sich?
Prof. Carsten Zahout-Heil: Das Smart Accessibility Labor ist momentan ein Zusammenschluss verschiedener laufender Projekte, die sich an einem Gedanken orientieren: Wie kann moderne Technik auf einfache Weise Barrierefreiheit verbessern? Dabei geht es nicht darum, den Stand der aktuellsten Forschung aufzuzeigen, sondern durch einfache und nachbaubare Hilfsmittel Lösungen für Betroffene zugänglich zu machen. Viele Menschen mit Behinderung sind erwerbslos oder nur eingeschränkt arbeitsfähig. Hilfsmittel sind und bleiben deshalb oft unerschwinglich und es nützt ihnen auch nichts zu wissen, dass vielleicht in 20 Jahren eine Idee marktreif sein könnte.
Der Auslöser war vor circa 20 Jahren eine Paraplegikerin, die sich mit einfachsten Methoden einen Muskelstimulator gebaut hat, der es ihr ermöglicht hat mit einem Liegerad zu fahren – aus eigener "Kraft"! Während meiner Industriezeit verlor ich das Thema aus den Augen, aber seitdem ich 2015 an die Hochschule Darmstadt gewechselt bin, engagiere ich mich wieder in diesem Bereich.
Im Rahmen einer Masterarbeit ist bereits ein Beispielprodukt entstanden. Was zeichnet den Sensor zur Ergänzung eines Blindenstocks aus?
Prof. Zahout-Heil: Das war ein Startpunkt. Der Gedanke ist nicht neu, aber in Gesprächen mit einem blinden Kollegen kam die Idee auf, sich mit diesem Thema nochmals zu beschäftigen.
Mit einem normalen Blindenstock ist es nicht möglich, Objekte zu detektieren, die sich oberhalb der Körpermitte befinden. Gefahr besteht beispielsweise durch Äste, die in den Weg ragen, offene Treppen, aber auch Absperrketten, die unterlaufen werden können. Durch zusätzliche Sensoren sollten diese Bereiche abgesichert werden, ohne durch zusätzliches Gewicht der Elektronik das taktile Gefühl des Blindenstocks zu verändern. Gleichzeitig wollten wir wiederum nicht einen Prototypen zeigen, der für blinde Menschen "unerreichbar" ist, sondern das System mit standardisierten Komponenten aufbauen, die ein einfaches Nachbauen ermöglichen.
Eine wichtige Säule ist nämlich, wie schon erwähnt, die Zugänglichkeit. Nur von einem Hilfsmittel zu wissen hilft nicht, sondern es muss auch erschwinglich sein – deshalb nutzen wir standardisierte Komponenten oder Bausätze. Die zweite Säule ist die Realitätsnähe. Leider gibt es zu viele Konzepte und auch Produkte, die im Kopf eines Kreativen entstehen, aber mit dem Alltag eines Betroffenen nichts zu tun haben. Wir stehen deshalb im engen Austausch mit Selbsthilfeorganisationen, Arbeitsgruppen, Expert*innen und Freiwilligen, die Ideen einbringen, Konzepte testen und auch mitentwickeln.